Äußerlich scheint Marty Byrde egentlich ein typischer Durchschnittsamerikaner zu sein: hübsche Frau, zwei Kinder, nettes Haus, gutes Einkommen. Mit seinem besten Freund hat er sich selbstständig gemacht und ist in seinem eigenen Büro als Finanzberater unterwegs. Die Idylle ist allerding nicht von langer Dauer: Man sollte sich nicht mit dem Drogenkartell anlegen, und wenn doch, dann möglichst intelligent.
Aber nun mal von vorne – um was geht’s?
Die erste Folge fängt schon gut an: Während ein neuer Klient in Martys Büro sein Herz ausschüttet und seine Finanzgeschäfte in guten Händen wissen möchte, schaut sich dieser nebenbei einen Porno an. Aber nicht irgendeinen – sondern einen, in dem seine Frau Wendy die Hauptrolle spielt und sich mit ihrem Liebhaber vergnügt. Als ob das nicht genug wäre, geraten auch noch die Geschäfte ins Schwanken. Marty und sein bester Freund Bruce, die mit der eigenen Firma für einen mexikanischen Drogenboss regelmäßig Geld waschen, haben es mächtig vergeigt. Einer der beiden hat Geld unterschlagen und vom gnadenlosen Geschäftsmann ein hübsches Sümmchen abgezwackt. Der macht kurzen Prozess und lässt seiner Wut und Enttäuschung in einer regelrechten Hinrichtung freien Lauf. Bruce, dessen Freundin und alle weiteren Beteiligten werden erschossen.
Der noch schockierte Marty versucht mit allen Mitteln sein Leben zu retten und unterbreitet dem Drogenkartell einen Vorschlag, den sie nicht abschlagen können: er wäscht in einer unscheinbaren Kleinstadt mitten in der Provinz sage und schreibe 500 Millionen Euro und zahlt so seine Schulden zurück – im Gegenzug bleiben er und seine Familie verschont.
Also auf nach Ozark
In Ozark, als Touristen- und Erholungsort um das Stauseeareal Lake of the Ozarks bekannt, lässt sich eine gute Infrastruktur aufbauen und als Investor jede Menge Geld verdienen. Aber wie erklärt man seiner Frau, die sich scheinbar sowieso lieber mit einem fremden Mann vergnügt, einen so unerwarteten Umzug? Und was sollen sie den beiden Kindern Charlotte und Jonah sagen, die eigentlich ihre bisherige Heimat so gar nicht verlassen wollen? Er öffnet sich Wendy, die zwar kein Verständnis zeigt – zumal auch ihr Liebhaber vom Kartell ermordert wurde, aber die Scharade fortan mitspielt, als sie den Ernst der Situation erkennt. Mit merklich abgekühlter Beziehung startet das Ehepaar samt Anhang unter dem Vorwand einer beruflichen Versetzung in das neue Leben in Ozark, wo sie auf zahlreiche Hürden bei der Umsetzung des Millionen-Plans stoßen.
Mit einem geringen finanziellen Polster müssen sie sich erst einmal auf einige Kompromisse einlassen und das fängt schon bei der Unterkunftssuche an. Alles, was sie sich leisten können, ist nicht einmal annähernd zufriedenstellend und schon gar nicht mit Chicago zu vergleichen.
Die Bewohner und das liebe Geld
Durch Zufall gelangen sie an einen Vermieter, der ein schickes Häuschen mit genügend Platz, Luxus und eigenem Ufer mit Seezugang zu einem überraschend günstigen Preis bietet, einziger Wehrmutstropfen: der etwas ältere und kränkliche Vermieter bleibt im Keller wohnen – notorischer Nörgler und Badegast im FKK-Look.
Er bleibt nicht das einzige menschliche Exemplar, an dessen Umgang sich die Familie erst gewöhnen müssen. Eine erste unschöne Konfrontation mit den Bewohnern beschert den Byrdes eine etwas hinterwäldlerisch angehauchte Familie unter Vorherrschaft von Ruth. Sie stehlen Marty zunächst das mitgebrachte Geld, das gewaschen werden soll, äußerst gewaltbereit dieses anschließend zu verteidigen, um ein Stückchen Reichtum abzubekommen, und sie lassen nicht locker.
Es begegnen uns ein Priester, der seine Predigt vor einer Ansammlung angefahrener Boote mitten auf dem Wasser hält, eine Barbesitzerin, die eigentlich keine Gäste hat und sich gerade so über die Runden bringt, einen Nachtclub-Besitzer, der nicht an gemeinsamen Geschäften interessiert ist. Wie schafft Marty die halbe Milliarde? Vor allem, wenn er feststellt, dass Ozark alles andere als ein langweiliges und verschlafenes Städtchen ist – ganz im Gegenteil eher ein bestens organisiertes Netz aus einheimischer Kriminalität? Die Zeit läuft jedenfalls und die Bewohner sind gar nicht so unscheinbar wie Marty dachte – Herausforderungen vorprogrammiert.
Was ist das Fazit?
Zunächst hat mich Ozark – wie wohl schon viele andere Zuschauer – an „Breaking Bad“ erinnert: Familienvater, Drogen, Ärger, Geld beschaffen. So gesehen natürlich ähnlich, aber eben nur ähnlich. Interessant ist bei Ozark die absolute Tristesse und die dadurch unterschwellig transportierte Bedrohung. Bildlich durch einen wirklich präsenten Grün- und Blaufilter, eher ruhige, nüchterne Konversationen, die familiären Beziehungen, Martys stetig starren Blick mit großen Augen und seine kühlen, fast kühnen Reaktionen und Handlungen dargestellt. Die tolle Landschaft, die wirklich an ein nettes Angelwochenende in den Bergen oder am See erinnert, trägt den letzen Rest bei.
Das regelrechte Schauspiel, das Marty und seine Frau Wendy als Ehepaar hinlegen, ist so gut wie unfassbar. Als Zuschauer kann man den beiden fast dabei zusehen, wie sie sich entfernen und lediglich als Zweckgemeinschaft versuchen zu überleben und Geld ranzuschaffen ohne dabei die Kinder zu vergessen. Die stecken natürlich mitten in der Pubertät und versuchen ihre eigenen Probleme zu bewältigen und fragen sich zunehmend, was mit ihren Eltern los ist. Als Familiendrama durchaus gelungen, wenn man es eher ruhig mag. Ich freue mich auf die zweite Staffel, um die Byrdes weiterhin voyeuristisch beim Erschließen neuer Geschäftsmodelle zu begleiten und zu hoffen, dass die Familienbande wieder zusammenwachsen – um ein Leben schuldenfrei und in Freiheit zu verbringen.
Offizieller Trailer zu Ozark
Was genau?
Kategorie: Krimi, Drama
Staffeln: 1+
Anzahl der Folgen: 10
Länge: ca. 60 Minuten
Jahr: seit 2017 auf NETFLIX
Produktion: Aggerate Films
Produktionsland: USA